Sonntag, 7. Oktober 2007

Zelekha in, Schools out

Während aus dem Finanzministerium vermeldet wird das Chefermittler Yaron Zelekhas Ausbootung verschoben wird und damit die Kadima-Partei dem öffentlichen Druck nachgibt erwartet die israelische Regierung ab Morgen ein landesweiter Schulstreik: The Secondary School Teachers Organization heads will meet on Sunday afternoon to decide whether to launch a strike that could start as early as Monday, with union leaders flatly predicting the job action will go forward. Union leader Ran Erez left no room for doubt that the teachers would take action, saying "the strike is on its way." Trotz guter Athmosphäre in Gesprächen mit Bildungsministerin Yuli Tamir [Avoda] sieht Erez "the situation not significantly changed", während Tamir sich optimistisch zeigt: "we have established a basis for continued dialogue that will continue in the coming days. I hope that as long as there is a framework of dialogue, there will be no strike. It is a long process ... and a lot of patience is needed." Noch im letzten Jahr war der Regierung ein Vertragswerk mit der primary-school-union gelungen in der etwa 91 500 der 325 000 Lehrer Israels organisiert sind. Mit der schrittweisen Erhöhung der Gehälter um bis zu 30% bei deutlicher Mehrarbeit gibt sich die SSTO nicht zufrieden. Neben Verbesserung im System [Altersversorgung, Einrichtungen] wird eine Verdopplung der Gehälter gefordert. Hintergrund der hohen Forderung sind erhobene EU/OECD-Daten die israelische Lehergehälter aus 2004 unterhalb den in Mexico bezahlten Gehältern einordneten. Im Vergleich zu Spanien/Frankreich werden zwischen 45 und 50 Prozent geringere Gehälter bezahlt. Zudem verabschiedete sich der Staat Israel schleichend aus der schulischen Finanzierung. Bereits über die Hälfte der Einrichtungen muß privatfinanziert werden. Die niedrigen staatlichen Investitionen gehen auf den vorherrschenden Zwei-Klassen-Effekt in der Gesellschaft ein: Nur etwa ein Drittel der Jugendlichen strebt einen höheren Abschluß an und das dieses Drittel eher aus bereits "etablierten Kreisen" stammt wird durch die Haltung der konservativen Regierungen der Vorjahre dankend [kostensparend] angenommen. Damit sind die Hoffnungen auf einen Richtungswechsel erstorben: Maßgeblich verantwortlich zeichnen die Avoda-Regierungen der 90er, die das ehemals "sozial-demokratische" ausgerichtete Israel zunehmend zum "Land der Bosse" verkommen ließen. Die Konservativen in Likud und Kadima setzten den Hebel auf Subventionskürzung, Entlassungen im Behördenbereich, Reallohnverluste im Bildungswesen um der dramatischen Wirtschaftsschwäche [Zusammenbruch der new economy] einen Billiglohnsektor entgegen zu setzen zu können. Neben Handel wurde der Sicherheitsbereich gestärkt, dem industriellen Sektor fehlen zu vergleichbaren Ländern um 5% an Volumen, weit über 120 000 Jobs, was das Gehaltsgefüge belastet. Es gelang jedoch die Beschäftigung innerhalb der letzten 4 Jahre um etwa ein Achtel zu steigern wobei die Steigerungen im Handel [+22%] oder Tourismus [+20%] dem industriellen Bereich [+9%] langfristig massiv überlegen sind. Mit dem Eintritt der Olmert-Regierung wurde der Bildungsbereich zwar anfänglich unterstützt, dann aber saisonbereinigt eingefroren. Ergebnisse im Finanzbereich [+9.3%] und in der Industrie [+6.1%] oder im Bauwesen [+6.7%] stehen einem Wachstum von unter 4% im Bildungsbereich entgegen. Schlimmer erging es dem "Health"-Sektor, der den selben Satz an Jobs verloren hat, den das Bildungswesen gewann. Zwar wurden die dramatischen Ankündigungen vom Stellenabbau an Schulen und Krankenhäusern nicht umgesetzt, bezahlt hat man jedoch den Kompromiß des Streikfriedens mit Investitionskürzungen, oder unpopulären Maßnahmen wie die Kürzung der Lebensmittelsubventionen, was auf diesen Arbeitsmarkt -allein in der Lebensmittelindustrie geht es um 50 000 Jobs- bald Auswirkungen haben wird.

Dem angekündigten Streik kommt daher eine äußerst große, richtungsweisende Funktion zu. Vorreiter war der Bereich Wasser + Elektrizität, der bei einer Steigerung der Löhne um fast 18% per Job drastisch Stellen abgebaut hat, was wiederum in der Erosion der Qualität mündete. Wenn also Verhandlungsführerin Tamir dieses Prinzip beibehält, das Erhöhungen in der Gesamtmasse an ausbezahlten Gehältern mit Jobabbau bezahlt werden muß letztlich die Qualität des Bildungssektor leiden. Zudem liefert man sich verstärkt dem "privaten" Engagement aus. Ein Oligarchen-System übernimmt stillschweigend den Bildungsbereich und fördert damit die Abhängigkeit des Lehrauftrags von wirtschaftlichen Vorgaben und kurzfristigen Zukunftswetten. Dazu kommt die Tendenz in der gut ausgebildeten Schicht trotz der eindeutig verbesserten Sicherheitslage das Land zu verlassen, da die Durchschnittslöhne auch in diesem Bereich nur etwa 3/4 der Löhne in anderen Industriestaaten erreichen. Bei einem eher nicht vorhandenen Rentensystem, hoher Preisbelastung und nur sehr partiell vorhandenen Aufstiegsmöglichkeiten.

Die angespannte Haushaltslage, verursacht derzeit durch militärische Abenteuer und Mißwirtschaften haben einen enormen Investitionsbedarf wachsen lassen, der derzeit nicht geschultert werden kann. Die Große Koalition ist nicht fähig den großen Wurf zu starten und wird definitiv nicht Schritte in die Förderung des Zivilstaates übernehmen. Yuli Tamir + "höhere Bildung" haben zu entscheiden ob sie die sozialen Spannungen für die Dauer des unreformierten Zustandes des Landes insgesamt mitzementieren wollen, oder ob man versucht neue Wege einzuschlagen. Ein Streik kann da Wunder wirken, ein Streik wegen "mehr Geld" jedoch nur das Alte präservieren. Geht man in die Zukunftsproblematik des Landes [zB die Stellung der arabischen Minderheit in 15, 20 Jahren] kann ein Einfrieren der Situation jetzt schlimmste Auswirkungen haben. Mitnichten ist dabei den Verhandlern dieses bewußt, wir aber sollten den Ausgang sorgsam beobachten.

Keine Kommentare: