Donnerstag, 21. Juni 2007

Palästinensische Christen

Einleitend sei gesagt das eine Prognose der kommenden Wochen angesichts der unsicheren Verhältnisse unmöglich ist. Das palästinensische Christentum befindet sich erneut zwischen den Mahlsteinen verschiedener Organisationen die allesamt ein Interesse am schleichenden Verschwinden der Minderheit haben.

Hauptproblem des palästinensischen Christentums ist jeher und nach den Ereignissen des 11/09 ein bis zur Extase zelebriertes Tendenzmedientum das gleichgeschaltet mit westlichen Interessen die Ereignisse um die Minderheit in zwei Kategorien ablagert. Einerseits die „Bethlehemisierung“, die Darstellung als ursprüngliche, traditionsbezogene Touristenattraktion. Andererseits die willkürliche Einbettung in paranoische Konstrukte. Der palästinensische Christ wird zuerst entpolitisiert, dann als hilfsbedürftiges Wesen unter einer bösartigen Macht stilisiert.

Jüngstes Beispiel sind die Vorgänge in den katholischen Einrichtungen im Gaza-Streifen. Anstatt einer sorgsamen Analyse vereinfacht ein gewinnmaximierter Schundjournalismus die Angelegenheit und tatsächlich verbreiten die Internetzwerke von moderat-besorgt bis islamophobisch-hetzend den Tatbestand entsprechend textbausteingetreu. Aufgrund der Beispielhaftigkeit des Vorgangs seziere ich diesen Vorgang etwas genauer.

Was eigentlich geschah: Eine Gruppe Kleinkrimineller aus dem Spektrum des Islamic Jihad begeht einen Einbruch in einer katholischen Einrichtung bei dem Wertgegenstände entwendet werden und die Räume und für die Einbrecher nutzlosen Gegenstände [Bibeln! Katholischer Einrichtungs-Witz komm raus, Du bist umzingelt] zerstört werden. Nun wendet sich der lateinische Chef der Örtlichkeit an die Medien und die humanistische Union freidenkender Palästinenser [Fatah] beeilt sich den Vorgang für ihre Zwecke zu nutzen. Der „Präsident aller Palästinenser“ meldet sich und bezichtigt die Hamas [ohne Beweise vorzulegen] der Tat. Auf die entsprechende Heuchelorgie der westlichen Medien hin fühlt sich die Hamas bemüßigt verlautbaren zu lassen, das Einheiten von ihr die in der Gegend waren keine Notiz von dem Vorgang genommen hätten. Ein taktischer Fehler, da anschließend die sehr christenfeindliche Bewegung „Schwert des Islam“, die seit längerer Zeit unter glücklicher Wegschauerei der ehemaligen „Sicherheitsleute“ der Fatah gegen westliche Einrichtungen und somit auch eine christliche Bücherei vorgingen sich bemüßigt fühlt den islamischen Staat auszurufen und die christliche Minderheit bedrohend zu bevormunden. Die Hamas ist eher weise und schweigt erst einmal. Hingegen tobt nun die anti-Hamas-Internet-Militanz vom Sofa aus das es kracht. Es darf angemerkt werden das die Fatah das Problem „Schwert des Islam“ unterschätzte, andererseits jedoch der Führer der Bewegung wegen seiner letzjährigen Ankündigung über dem Vatikan baldmöglichst die Fahne Mohammeds aufzuziehen und alle Kirchen Gazas abzufackeln sehr wohl etwas Fatah-Folterkeller verdient gehabt hätte.

So weit so schlecht. Bezüglich der Situation in Gaza ist abzuwarten ob die Hamas die christliche minderheit WEITERHIN als Verhandlungsmasse pragmatisch in den Politbetrieb einbezieht, oder ob sie sich aufgrund der westlich-christlichen Politik gegen Hamas sich als Schutzmacht zurück zieht. Das die Hamas es nicht als oberste Priorität verstand in den Nach-Bürgerkriegswehen christliche Einrichtungen zu schützen mag nicht nur an einer verkehrten Taktik, sondern auch an mangelndem Personal gelegen haben. Grundsätzlich ist die Hamas gespalten: Schon 2005 vor den Wahlen, also der Bereitschaft der Hamas in den politischen Betrieb der Palästinensichen Selbstverwaltung einzusteigen öffnete sie sich nach dem Motiv „restrict-protect“ der christlichen Minderheit. So finden wir klare islamistische Alltagsvorgaben, aber eine regelkonforme Aufnahme einer unabhängigen christlichen Plattform, die nicht nur unter Hamas-Flagge an den Wahlen teilnahm sondern auch einen Minister im Kabinett stellte. Dieser einzigartige Vorgang wurde selbstverständlich durch den Westen brutal ignoriert. Heute fehlen diese Leute, die aufgrund des latenten Vor-Bürgerkriegs, aber auch aufgrund innerchristlichen Drucks vornehmlich aus dem lateinischen Patriarchat das jeher Fatah-orientiert ist bei der Mediation notwendiger Hilfslieferungen. Sicherlich finden wir aus dem Hamas-Spektrum auch Radikale die Übergriffe begingen. Im Volumen sind diese auf 5% aller Vorkommnisse der letzten Jahre zu taxieren. Auf der Gegenseite finden wir erstaunliche Vorgänge im pragmatisch orientierten Bereich der Hamas. Nicht nur die generelle Absage von Gewalt, sondern auch aktive Schutzmaßnahmen wie die Ereignisse in Nablus 2006 nach der Regensburger Papst-Rede zeigten, bei denen die Hamas-geführte [und mittlerweile durch Israelis zerschlagene] Stadtverwaltung und Hamas-Polizisten [mittlerweile in stetigem Kampf gegen radikale Fatahisten und die Islamic Jihad-Zellen] Kirchen schützten. Eine Prognose ist unmöglich.

Die eigentliche Problematik der palästinensischen Christen ist das ihre Führerschaft traditionell sich der nationalistischen Variante verschrieben hat unter deren Ägide nicht nur hervorragende Politikerinnen wie Hana Ashrawi sich betätigen konnten, sondern unter der auch ein lateinischer salon-Fatahismus unter dem Patriarchen Sabbah entstanden ist. Anstatt eine neutrale Position anzustreben suchten die palästinensischen Christen ihre muslimischen Mitbürger über aktive Politikbeteiligung bis hin zu eigenen Terrorakten gegen die israelische Besatzung zu überzeugen und sich damit einen anerkannten Status in der Gesellschaft zu sichern. Übrig davon bleiben garantierte Sitze im Parlament, die wie alle symbolischen Akte politisch verpuffen. Mit dem Beginn der zweiten Intifada wandelte sich das Blatt: Die zunehmende Erosion und Spaltung der korrupten Fatah unter Arafat betrieb eine zweigleisige „Christenpoltik“. Gegenüber dem Ausland wurden beste Beziehungen vorgespielt. Hinterrücks über politische Gängelung, Nichtverfolgung von Straftaten, Landdiebstahl, Mord, Vergewaltigung wurde die palästinensiche christliche Minderheit zur Flucht angehalten. Man wollte schlicht dem territorialen Vordringen der Israelis in den verhältnismäßig offenen christlichen Zentren Widerstand entgegen setzen. Der Selbstmordattentäter und seine Logistik sollte es einfacher haben sich ins israelsiche Kernalnd zu schmuggeln. Gerade die Fatah über die al-Aqsa-Brigaden mit dem berühmten offenen Erpressungsbrief an die Stadt Bethlehem, oder der selige Arafat selbst, der den Christen dort einen muslimischen Rat oktroierte ist maßgeblich für die Vertreibung von Christen verantwortlich. Viele Christen vor Ort aus den oberen Rängen haben dies bis heute nicht aktzeptiert: Ihre Strategie ist gefehlt. Der lateinische Patriarchat ergötzt sich heute noch im Abwiegeln der Ereignisse und schiebt der israelsichen Besatzung die Schuld zu. Relevante Gruppierungen wie die Maroniten im Libanon haben längst die Seiten gewechselt und auf dem Schoß der Bush-Administration sitzen Christen, die 2002 noch Selbstmordattentate aus der Bibel heraus für rechtens erklärten. Der Zustand des Christentums in Ost-Jerusalem ist bei weitem bedenklicher: Sie werden von allen Seiten attackiert. Die Fundamentalkräfte des Judentums lüstern auf das Land. Der israelische Staat behandelt sie wie Bürger vierter Klasse. Alle PA-Gruppierungen suchen Fuß in Ostjerusalem zu fassen. Der Westen hingegen, vornehmlich die christlichen Kirchen sieht dem Treiben untätig zu. Sonntagsreden überbieten sich. Warum? Die emsigen palästinensichen Christen träumten von einer Arabisierung der heiligen Stätten, der Organisationen, der Einküfte. Sie machten dabei sogar Fortschritte. Dies ist und bleibt den jeweiligen Vogten der westlich dominierten Kirchen ein Dorn im Auge, während ein Teil der Ostkirchen unter palästinensischer Führung mit Kleinkriegen um Machtpositionen und Skandälchen sich selbst diskredierten.

Die Zukunft? Unter dem Deckmantel des Konfliktes der Israelis mit den Palästinensern läßt sich trefflich weiter um das zum Goldenen Kalb verkommenen Jerusalem tanzen. Die Buchreligionen Christentum, Islam und Judentum mit ihren unzähligen Abspaltungen werden den Alleinvertretungsanspruch nicht aufgeben. Die Tiradendichte hat ihr Potential längst nicht erreicht, eloquente Hassprediger werden einen konjunkturellen Aufschwung erleben.

Der einzige Ausweg für die palästinensischen Christen wäre eine enge Anbindung an den Staat Israel. Nebst einem Staatsvertrag, ausgehandelt von Palästinensern für Palästinenser.

Keine Kommentare: